In der Attler Au startet in diesen Tagen eine einmalige Wiederbelebung der monoton gewordenen Flusslandschaft. Nach siebenjährigem Kampf hat der Kreisfischereiverein Wasserburg, der als Maßnahmenträger von einer Allianz renommierter Naturschutzverbände unterstützt wird, die Sondererlaubnis der Regierung von Oberbayern erhalten.
Bei einer Bootsfahrt machten sich Förderer und Beteiligte
ein Bild vom Beginn der Baumaßnahmen im Vogelschutzgebiet
an der Attlerau, hinten der Schiffsbagger
Wasserburg - Als in den 70er-Jahren das europäische Vogelschutzgebiet "Attel und Freiham" ausgewiesen wurde, lebten hier noch Eisvogel, Silberreiher und Flussseeschwalbe, die im verzweigten Netz an Altarmen des Inns reiche Fischbeute fanden. Bis heute hat sich diese Artenvielfalt zum Bedauern von Franz Göpfert, Vorsitzender des Kreisfischereivereins Wasserburg, deutlich reduziert.
Seit der Stauhaltung besitzt der Inn einen relativ konstanten Wasserpegel. Überschwemmungen, in deren Verlauf sich neue Arme bilden, bleiben aus, erläutert er. Altgewässer verlanden zunehmend. Aus einer dynamischen Gewässerlandschaft mit Flutmulden, Zuläufen und Gräben sei ein steriles Gebiet geworden, bestätigt auch der stellvertretende Vorsitzende des Kreisfischereivereins, Roland Edl. Die Folgen: Der Wald erobert ehemalige Wasserflächen, Verlandungen sorgen dafür, dass Altarme und Tümpel im Winter nicht tief genug sind und durchfrieren. Mit dem Rückgang der Fischpopulation, der von 1985 bis 2010 allein bei der Nase dazu geführt hat, dass sie kaum noch gefangen wird, haben sich auch die Vögel zurückgezogen, stellen die Fischer und Naturschützer fest.
Danach gab es einen Scheck (von links):
Sparkassendirektor Richard Steinbichler
Franz Göpfert und Landrat Josef Neiderhell
2003 ging deshalb der Kreisfischereiverein Wasserburg in die Offensive und suchte zum ersten Mal das Gespräch mit den Fachbehörden beim Landratsamt und der Regierung von Oberbayern, um eine Ausnahmeerlaubnis für Revitalisierungsmaßnahmen zu erhalten. Es bildete sich eine einmalige Allianz: Denn auch der Bund Naturschutz, Kreisgruppe Wasserburg, und der Landesbund für Vogelschutz setzten sich mit ins Rettungsboot für die Wasserlandschaft der Attler Au. "Allen Beteiligten war klar: Es hat keinen Sinn, etwas auf eine Weise zu schützen, die zur Folge hat, dass es irgendwann einmal nichts mehr zu schützen gibt", bringt Edl die Problematik auf den Punkt.
Denn eigentlich darf im europäischen Vogelschutzgebiet nicht mit schwerem Gerät gearbeitet werden, das notwendig ist, um zugewachsene Gräben wieder zu öffnen. Forderungen nach teuren Verträglichkeitsgutachten wurden deshalb laut. Fischer und Naturschützer sahen jedoch nicht ein, warum Geld für Studien ausgegeben werden muss, wenn sich die Experten vor Ort mit ihrer geballten Fachkompetenz über die Notwendigkeit der Maßnahmen einig sind. Sie beriefen sich außerdem auf die Notwendigkeit, schnell zu handeln, weil eine neue gesetzliche Forderung der Europäischen Union ein Verschlechterungsverbot für Gewässer vorschreibt.
Bei ihrem Bemühen um Sondererlaubnis, die vor wenigen Tagen von der Oberen Naturschutzbehörde erteilt wurde, erhielten die Projektanten auch Unterstützung von Landrat Josef Neiderhell, der die Schirmherrschaft des Pilotprojektes übernahm. Förderer sind neben der Sparkasse Wasserburg, die die Patenschaft zusagte, unter anderem der Kreisfischereiverein Rosenheim, die Interessengemeinschaft der Jäger und Fischer an Inn und Mangfall und der Bezirksfischereiverbund Oberbayern. Sie und weitere Unterstützer stellen Gelder zusätzlich zum finanziellen und tatkräftigen Engagement der beteiligten Vereine zur Verfügung. Das Renaturierungsprojekt, das nach Angaben von Göpfert 50.000 bis 60.000 Euro verschlingen wird, sei auch ein Beispiel dafür, dass auch ohne öffentliche Förderung viel bewegt werden kann.
Mittlerweile hat der Saugbagger Stellung bezogen nahe des Inndamms. Zur Information der Wanderer hat der Kreisfischereiverein Tafeln aufgestellt, welche die Ziele der Maßnahmen erklären. Auf einer Strecke von 1,5 Kilometern werden monotone Uferabschnitte restrukturiert, versandete Altwasserflächen entlandet, funktionierende Anbindungen in Mäanderform an den Inn geschaffen. Oberstes Ziel: ein Vogelschutzgebiet, das seinem Namen gerecht wird - als Lebensraum für Wasservögel, Amphibien, Reptilien, Muscheln und Fische, die hier wieder laichen und den Nachwuchs aufziehen sowie überwintern können.